DER SCHREI DER FRAU („Theaterstück auf Deutsch“)

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    3,14
    Dalyvis

    DER SCHREI DER FRAU

    Solo: Er geht zur Ernte, in der Hand eine Sichel.
    Chor: Er geht zur Ernte, in der Hand eine Sichel.

    Solo: Seine Ernte ist vertrocknet, sein Feld ist weit entfernt.
    Chor: Seine Ernte ist vertrocknet, sein Feld ist weit entfernt.

    Solo: Wenn ich meinen Liebsten sehe, packt mich die Leidenschaft.
    Chor: Wenn ich meinen Liebsten sehe, packt mich die Leidenschaft.

    Solo: Jetzt werde ich meinen Liebsten nicht mehr sehen können.
    Chor: Jetzt werde ich meinen Liebsten nicht mehr sehen können.

    Solo: Der Herbst ist wieder eingekehrt, es ist kalt geworden.
    Chor: Der Herbst ist wieder eingekehrt, es ist kalt geworden.

    Solo: Ich hatte das Wort meines verwöhnten Liebsten.
    Chor: Ich hatte das Wort meines verwöhnten Liebsten.

    Solo: Ich hatte keinen anderen Liebsten außer ihn.
    Chor: Ich hatte keinen anderen Liebsten außer ihn.

    Solo: Ich werde niemand anderen lieben können.
    Chor: Ich werde niemand anderen lieben können.

    1. Person: Of, of.

    Chor: Oof… of.

    2. Person: Of, of… es reicht aber!

    Chor: Es reicht aber!

    1. Person: Meine Mutter hatte auch schon auf diesen Feldern mit der Sichel geerntet.

    2. Person: Meine Mutter gebar mich auf diesem Feld.

    Chor: Wir alle wurden auf diesen Feldern geboren.
    Und gebaren unter den Sträuchern.
    Der braune Ochse, die gelbe Kuh oder wir…
    Glaubt nicht, dass wir alle zufrieden sind.

    1. Person: Einfach nichts zu bekommen! Gibt es denn einen anderen Ort zum Leben?

    2. Person: Der Himmel ist näher.
    Gibt es da unten Leben?
    1920 gab es Krieg,
    1944 gab es Hungersnot.

    3. Person: Sechs Meter hoher Schnee.
    Weinberge und Garten im Chaos.

    Chor: Wir hungern und leiden.
    menschenrechte
    frauenrechte
    kinderrechte
    Sind uns lygus.
    Wir sollten aus unseren Erfahrungen lernen.

    1. Person: Ihr sollt nicht erleben, was wir erleben mussten.

    Chor: Ihr sollt nicht erleben, was wir erleben mussten.

    2. Person: Unser Kampf für ein menschliches Leben.

    Chor: Ein freundschaftliches und brüderliches Zusammenleben.

    3. Person: Wir wollen ein glückliches Arslanköy, eine glückliche Welt.

    Chor: Wir sind Frauen, Mütter;
    Wirsindhier…

    2.Szene

    Emine: Bismillayirrahmanirrahim. Dir opfere ich mich, mein Schöpfer. Dir vertraue ich, bei Dir suche ich Schutz. Mische das Fett nicht mit der Molke. Wo bleibt dieser Mann, es ist schon Mittag geworden. Das Vieh muss gemolken werden, die Ernte muss eingeholt werden.

    Wer weiß, in welchem ​​​​Kaffeehaus dieser verdammte Kerl schon wieder Glücksspiele spielt oder in welcher Kneipe er ohnmächtig zusammen gesunken ist.

    Recep: Emine… Emine… Emine… los… Emine… los!

    Emine: Gott lob, du bist aber früh gekommen! Mann, du wolltest früh da sein, um die Ernte einzuholen. Jetzt muss das Vieh gemolken werden… Kommt einfach zur Mittagsgebetszeit; los, los…

    Recep: Mach dir keine Sorgen… An einem Tag geht die Ernte schon nicht ein, wir können sie morgen einbringen… Und an einem Tag können wir das Getreide dreschen… Und das Vieh melken wir auch… Beruhige dich, meine schöne Frau…

    Recep: Schau, was ich für dich gekauft habe.

    Emine: Was soll das sein?

    Recep: Meine Emine, die habe ich für dich gekauft. Zieh sie doch mal an! Lauf mit ihnen, damit ich deine ranke und schlanke Größe sehen kann. Laufe schlenkernd umher…

    Emine: Ach Recep, soll ich damit das Vieh melken und das Getreide ernten? Statt dafür Geld auszugeben hättest du lieber ein Kilo kandierte Nüsse kaufen sollen.

    Recep: Sei still Emine, sei still… Du und dein Gang… Ach, ach, … Aytül müsste jetzt hier sein! Wie schön würden ihr diese Schuhe stehen, mit ihren schneeweißen Fersen…

    Emine: Bei den Nomaden gibt es Männer. Sie gehen morgens in der Früh zur Ernte und zu ihrer Arbeit. Sie betrinken sich nicht wie du jede Nacht.

    Recep: Emine… Emine… sei endlich still!

    Recep: Ach, ach! Als ich beim Militär war, liebte ich die Tochter des Kommandanten. Ich nahm sie auch mit ins Dorf. Ein Mädchen aus der Stadt kann im Dorf nicht Brot backen, Vieh melken und Getreide ernten, sagte man. Sie schicken es zurück. Ihr Dorfbewohner, wozu taugt ihr denn sonst, als zum Getreide ernten und Vieh melken? Ich trinke und werde weiter trinken!

    Emine: Trink doch bis zum krepieren, verstehst du! Trink das elende Zeug bis zum Verrecken! Hoffentlich krepierst du eines Tages an der Flasche und ich kann dann deine Leiche sehen!

    Recep: Emine… Emine, meine schöne Frau, bringe deine Arbeit schnell zu Ende, wir haben noch zu tun.

    Emine: Was soll um diese Zeit noch zu tun sein?

    Recep: Ach… was soll ich machen, gestern Abend konnte ich nicht kommen.

    Emine: Was zum Teufel hast du denn getrieben?

    Recep: Hey Emine, wie schön du die Butter ausbreitest.

    Emine: Hör auf mit dem Unsinn!

    Recep: Du wackelst so beim Ausbreiten, da kriege ich Lust. Was soll diese Bewegung?

    Emine: Ja warte, ich bin gleich fertig. Geh weg, du stinkst aus dem Mund nach Alkohol. Du wirst das Butterfass schmutzig machen.

    Recep: Vergiss  das Butterfass, komm her!

    Emine: Mein Gott, bist du verrückt geworden? Bist du in der Mittagssonne wahnsinnig geworden? Gott verdamme dich! Du kannst doch nicht einfach da, wo es dir gerade einfällt!

    Recep: Los, sage ich.

    Emine: Bist du denn ein Tier?

    Recep: Los sage ich Frau. Los, im Kaffeehaus im Dorf wird schon darüber gemunkelt, dass Recep seine Frau schon lange nicht mehr geschwängert hat. Entweder taugt der Samen nicht, oder das Feld, heißt es.

    Emine: Ach ja. Mit dem Feld ist alles in Ordnung. Wenn du jeden Tag trinkst, kannst du natürlich keine Kinder zeugen und Nachwuchs haben. Und selbst wenn, wäre es faul.

    Recep: Du Schlampe…. Was willst du damit sagen?

    Emine: Hör auf, sage ich. Ich bin krank, verstehst du nicht? Ich gehe zum Melken.

    Recep: Du liebst mich nicht, stimmt doch?

    Emine: Ich bin krank, sage ich. Die Arbeit muss erledigt werden.

    Recep: Liebst du mich?

    Emine: Liebst du mich denn? Ich verzichte auf die Versprechen, die du mir gegeben hattest, als du mich entführt hast. Du wolltest aufhören zu trinken und zu spielen, du wolltest bei Zeiten nach Hause kommen. Waren das keine Mannsversprechen?

    Recep: Du übertreibst aber! Jeder trinkt und spielt. Meinst du, ich bin Alkoholiker oder spielsüchtig?

    Emine: Kümmere du dich um den Lebensunterhalt. Ohne Auskommen ist keine Liebe möglich, Recep.

    Recep: Nicht einmal hast du gesagt, dass du mich liebst.

    Emine: Ich muss dich lieben, Recep. Ich muss es.

    3.Szene

    Emine: Dekisch… Dekisch… Dekisch. Mor gabak, mor gabak…
    Ach, würde ich doch einen Sohn gebären, der mir diesen Futtersack halten könnte.

    Hatice: Heute ist mein letzter Tag. Morgen ist Emine dran. Bringt eure Milch zu ihr.

    Emine: Mensch, ich bin krank. Lasst euch nicht davon täuschen, dass ich auf den Beinen bin. Tante Iraz soll drankommen, danach erst ich.

    Hatice: Du legst uns auch immer rein. Letztes Mal hast du schon gesagt, du seiest krank. Und du müsstest zur Ernte und zum Dreschen und hast uns die Arbeit überlassen.

    Emine: Hatice, wieso glaubst du mir nicht?

    Iraz: Lass Hatice, ich mache es. Die Frau ist krank…  Sie darf jetzt nicht so schwer heben. Sie kann dann in 10 Tagen an die Reihe kommen.

    Hatice: Tante Iraz, jeder soll die Reihenfolge einhalten. Ach ja; ihr seid im Frühjahr dran, wenn die Milch zähflüssig ist, und ich bin dran im Herbst. Du weißt genau, Tante Iraz, bekommt man im Juni aus vier Kilo Milch einen Kilo Käse, sind das im August ein Kilo Käse aus zwei Litern Milch.

    Iraz: Sei du guten Herzens und guter Seele, mein Kind. Lass doch die Einzelheiten. Diese arme Frau hat doch niemanden außer dich und mich… Sagt Gott nicht, man soll Bedürftigen helfen?

    Hatice: Ihr Mann, der Trinker soll kommen und ihr helfen, anstatt ständig zu trinken und sich herum zu treiben.

    Emine: Auch wenn mein Mann trinkt; hat er je jemanden sittenwidrig angeschaut? Nimm du nicht den Namen meines Mannes in den Mund. Was geht es euch an, ob er trinkt oder nicht…

    Iraz: Emine, pass auf, was du redest! Du brichst Herzen!

    Emine: Mein Mann ist da. Das Brot ist noch nicht vorbereitet. Macht es gut.

    Hatice: Manchmal tut diese Frau mir leid. Aber manchmal versucht sie, listig zu sein.

    Iraz: Sie hat ein schlechtes Schicksal. Sie hat einen schlechten Kerl abgekriegt. Man weiß nicht, ob sie lebt oder stirbt.

    Hatice: Der Mensch hat sein Schicksal selbst in der Hand, Tante Iraz.

    Iraz: Natürlich mein Kind.

    Recep: Wo treibst du dich rum? Warum bist du nicht zu Hause?

    Emine: Wir sind nach Hatice mit der Käseherstellung dran. Weil ich gesagt habe, ich bin krank, kommt ein paar Tage später, ist es zur Katastrophe gekommen.

    Recep: Ich habe Hunger. Gibt es denn nichts zu essen?

    Emine: Achtet nicht auf dein Aussehen und nennt dich einfach einen Trinker!

    Recep: Ich habe Hunger. Gibt es nichts zu essen sage ich!

    Emine: Nein.

    Recep: Weib, ich werde dich und deine Milch und deinen Jogurt und deine Sippe…

    Emine: Hör auf zu schlagen! Denk an das Baby! Du wirst es draufgehen lassen. Hör auf, bitte!

    Recep: Ich pfeife auf dein Baby und deine Familie und deine Sippe… Es reicht!

    Iraz: Emine… Emine… Du lässt dich gar nicht blicken. Das Vieh platzt gleich, willst du es nicht melken? Die Ziegenlämmchen warten.

    Emine: Komm, Tante Iraz. Das Vieh ist mir egal. Ich flehe zu Gott, dass er mein Leben nehmen soll, aber er macht es nicht. Ich muss wohl noch mehr Leid ertragen.

    Iraz: Was ist mit dir mein Kind, du bist ja ganz blau? Hat dich dieser Kerl etwa geschlagen?

    Emine: Nein… nein… ich bin gegen einen Pfosten gelaufen, ich schwöre es.

    Iraz: Hoffentlich ist dem Baby nichts passiert, mein Kind.

    Emine: Ich weiß nicht.

    Iraz: Schau mein Kind: Es ist jetzt nicht mehr wie früher. Eine neue Zeit. Wenn dich dieser Kerl, der sich dein Mann nennt, wirklich geschlagen hat, gehe gleich Morgen zur Gendarmerie  und melde es. Sie sollen dein Auge im Licht betrachten.

    Emine: Und dann soll ich viele Männer haben! Meinst du, sie würden mich in Ruhe lassen Tante Iraz?

    Iraz: Dann solltest du wenigstens ins Krankenhaus gehen und dich einem Arzt zeigen. Dass das Kind in deinem Bauch wenigstens dieses Mal nicht draufgehen soll.

    Emine: Meinst du, der Arzt kann mein Baby retten?

    Iraz: Du kannst dich ja kaum noch bewegen. Ich bring dir mal etwas Heißes zu trinken. Das Vieh werde ich auch melken. Lassen wir es mal Morgen werden, dann sehen wir weiter. Ach Emine, ach! In deiner Jugend warst du das schönste Mädchen im Dorf! Die jungen Männer des Dorfes umschwärmten dich…
    Emine: Was war, ist unwichtig. Was zählt, ist das was kommt. Sagtest du das nicht immer, Tante Iraz? Vielleicht muss ich noch viel Leid erdulden.

    Iraz: Du musst geduldig sein Emine. Der heilige Eyup  musste jahrelang Qualen ertragen. Er war geduldig und Gott hat ihn dafür am Ende belohnt. Also er wurde gerettet.

    Emine: Ich bin doch kein Prophet.

    Iraz: Auch wenn ich sage, wir müssen geduldig sein und mit dem zufrieden, was wir haben, müssen wir trotzdem nach Lösungswegen suchen. Das Schicksal des Menschen sollte auch ein wenig in seinen eigenen Händen liegen.

    Iraz: Na ja, ich muss jetzt gehen. Mach es gut. Bevor die Ziegenlämmchen da sind, werde ich einige Tiere melken.

    4.Szene

    Recep: Emine… Emine! Habt ihr mein Weib nicht gesehen?

    Hatice: Sie ist schon lange nicht da gewesen.

    Recep: Seit heute Morgen… Wo ist meine Emine, wo kann sie ohne mich hingegangen sein?

    Iraz: Vielleicht ist sie ins Dorf gegangen?

    Recep: Ohne mir Bescheid zu sagen, würde sie nicht einmal zu den Nachbarn gehen.

    Hatice: Sie kann jeden Augenblick entbinden. Sie kann nicht ins Dorf gehen.

    Iraz: Nicht, dass sie irgendwo Wasser lassen war, hingefallen und liegen geblieben  ist. Lasst uns drüben in den Tälern nachsehen.

    Hatice: Schauen wir an dem großen Wacholderstrauch nach. Manchmal ging sie alleine dorthin und saß dort stundenlang, die Arme.

    Iraz: Los, lasst uns überall suchen…

    Recep: Emine…

    Hatice: Emine…. Emine… hey…

    Iraz: Emineeee….

    Chor: Emineeeee… Emineeee….

    Iraz: Wir haben Berg und Stein abgesucht. Sie ist nicht da.

    Hatice: Sie war stets brav,
    Sie seihte die Milch,
    ihr Mann betrubte sie sehr,
    wo bist du, arme Emine?

    Du hast auch gar kein Glück,
    Aber viele die dich mögen.

    Ihr, die da sitzt,
    die den Respekt vergessen haben,
    Gibt es jemanden unter euch,
    der Emine verloren skrybėlė, taigi ar tu?

    Iraz: Lasst jetzt das Klagenlied. Wir müssen der Gendarmerie Bescheid geben. Wir müssen es erfahren, gleich ob sie tot ist oder am Leben.

    Recep: Zwei Leben sind auf einmal dahin, Tante Iraz…

    Iraz: Du bist auch daran schuld. Du hast nicht auf ein Weib aufpassen können. Und jetzt heulst du hier rum.

    Recep: Ach Emine,… ach!

    5.Szene

    Ärztin: Willkommen.

    Krankenschwester: Ausweis.

    Emine: Ich habe keinen Ausweis, Frau Doktor.

    Krankenschwester: Name des Vaters?

    Emine. Hasan.

    Krankenschwester: Name der Mutter?

    Emine: Die zweite Frau meines Vaters gebar mich, ihr Name ist Cennet, aber ich bin bei der ersten Frau eingetragen, sie heißt Hamiyet.

    Krankenschwester: Sag mir einen Namen.

    Emine: Cennet, Hamiyet – schreib beides auf.

    Ärztin: Ich habe die Medikamente aufgeschrieben. Gleich drüben ist eine Apotheke, da kannst du die Medikamente holen.

    Emine: Was werden diese Medikamente kosten?

    Ärztin: 20%  davon, es wird 50 Lira kosten.

    Emine: Ich habe 5 Lira in der Tasche, Frau Doktor. Gibt es keine billigeren Medikamente?

    Ärztin: Hast du keine Sozialversicherung?

    Emine: Was sagst du da, Frau Doktor?

    Ärztin: Sozialversicherung! Du musst die Medikamente einnehmen und dich sofort hinlegen. Sonst kann es in zwei drei Stunden zu einer Frühgeburt kommen.

    Emine: Aber es sind doch noch drei Monate bis zur Geburt, Frau Doktor.

    Krankenschwester: Am besten, du fragst nicht soviel. Sie sagt, es kann eine Frühgeburt werden.

    Ärztin: Bereiten Sie das Bett für diese Patientin vor, außerdem soll sie die Medikamente einnehmen.

    Emine: Mein Baby soll dieses Mal lebend auf die Welt kommen, bitte Frau Doktor!

    Ärztin: Keine Sorge. Es wird eine Frühgeburt, dem Baby geht es gut. Hast du denn keine Angehörigen?

    Emine: Ich habe niemanden.

    Ärztin: Hat das Baby auch keinen Vater?
    Emine: Nein.

    Krankenschwester: Ist er gestorben?
    Emine: Nein.

    Krankenschwester: Also ist das das Kind von irgendwem? Um Himmelswillen!

    Ärztin: Von welcher Familie in Arslanköy stammst du?

    Emine: Ich komme nicht aus Arslanköy, mein Mann kommt von da, von den Karabuluts.

    Ärztin: Bereiten Sie das Bett vor, Schwester.

    Krankenschwester: Frau Doktor, sie hat keinen Ausweis, kein Geld, kann nicht lesen und nicht schreiben. Wie soll das gehen?

    Emine: Habe ich kein Recht zum Leben, nur weil ich arm bin? Sollen arme Menschen keine Kinder auf die Welt bringen?

    Ärztin: Beruhigen Sie sich. Sie müssen sich zuerst an den Staat wenden, unser Staat stellt jeden unter Versicherungsschutz. Sie sollten sich zuerst an den Gemeindevorsteher wenden, um eine „grüne Karte“ zu beantragen.

    Emine: Der Gemeindevorsteher lässt sich doch gar nicht im Dorf blicken!

    Ärztin: Ich bürge für die Patientin, Schwester. Ich kenne die Karabuluts aus Arslanköy, ich werde sie benachrichtigen.

    Krankenschwester: Gewiss, Frau Doktor.

    Ärztin: Jeden Tag kommen mindestens 10 solcher Patienten. Ich kann ja nicht für alle bürgen! Immer, wenn ich solche hilflosen Patienten sehe, ärgere ich mich darüber, nicht helfen zu können.

    Krankenschwester: Auch am fünften Tag ist noch niemand gekommen. Wer bezahlt das Krankenhausbett?

    Ärztin: Ich habe eine Nachricht zukommen lassen, heute kommen ihre Verwandten. Das Baby hat einen Schlag erlitten, bist du vom Esel gefallen, oder was?

    Emine: Nein, Frau Doktor, mein Mann hat mich nicht geschlagen. Ich bin vom Kirschbaum gefallen. Ganz oben war ein Vogelnest. Der Ast ist gebrochen und ich habe ihn in den Bauch abgekriegt.

    Ärztin: Wie gut, dass die Gesundheit des  Babys in Ordnung ist.

    Recep: Mein Sohn! Mein Sohn!

    Emine: Du bist wieder betrunken.

    Krankenschwester: Ist das dein Mann?

    Ärztin: Ist das dein Mann?

    Recep: Ja, na und? Ich habe einen Sohn. Ab heute bin ich Vater.

    Ärztin: Sie haben eine Tochter, Herr Recep.

    Recep: Das macht nichts. Niemand kann mehr sagen, der Samen sei nicht in Ordnung, oder das Feld tauge nicht.

    Ärztin: Herr Recep, Vatersein geht so nicht! Wir hätten deine Frau und dein Kind fast verloren. Du hast Emine geschlagen, ihr Bauch war voller blauer Flecken.

    Recep: Ich würde Emine nie schlagen, Frau Doktor. Sie ist vom Esel gefallen. Habe ich dich je geschlagen, Emine? Sag doch, dass du vom Esel gefallen bist!

    Ärztin: Sie ist vom Esel gefallen, ja?

    Emine: Ich sei schon bei meiner Geburt vom Esel gefallen, Frau Doktor.

    Iraz: Es war nicht einfach, Emine aus dem Krankenhaus zu holen. Wir sind ins Dorf zurückgekehrt. Es vergingen viele Frühjahre. Recep hat eine Zeit lang nicht getrunken. 15 Jahre sind vergangen. Die Tochter von Emine ist groß geworden. Ihr Vater wollte sie unbedingt Aytül nennen. Jetzt sind wir im Dorf.

    6.Szene

    Aytül: Lieber Vater, morgen findet ein Elternabend statt. Das hat unsere Lehrerin geschickt.

    Recep: Deine Mutter soll hingehen.
    Emine: Ich gehe immer hin. Lass uns dieses Mal gemeinsam gehen.

    Recep: Na ja, wenn es mir passt, werde ich mitgehen.

    Emine: Unsere Tochter ist dieses Jahr in der Abschlussklasse. Die Lehrer meinen, sie solle weiter zur Schule gehen. Wir sollen einige Quellenbücher oder so kaufen.

    Recep: So so, die Abschlussklasse. Wann ist dieses Kind denn so groß geworden? Die Abschlussklasse, wird sie dann noch weiter zur Schule gehen?

    Emine: Sie beendet die Volksschule. Dann kommt das Gymnasium… Geh du rein, mein Kind. Was bist du bloß für ein Mann? Zeig doch etwas Interesse für die Bildung dieses Kindes.

    Recep: Was soll ich noch machen? Ich kümmere mich darum, dass sie etwas zum Anziehen  und zum Essen hat und kaufe ihr die Schulsachen.

    Emine: Du kaufst die Sachen? Was muss ich als Tagelöhnerin erdulden? Dieses Mädchen ist deine Tochter, verstehst du?

    Recep: Okay… irgendwie wird sie satt und hat etwas zum Anziehen. Was sollen wir sonst noch machen?

    Emine: Und dann trägt sie noch den Namen deines alten Weibes. Du müsstest dich mehr als ich um sie kümmern.

    Recep: Weib! Das Kind muss den Willen haben, weiter zur Schule zu gehen. Was haben die Väter der Kinder aus dem Dorf, die weiter zur Schule gegangen sind gemacht, was ich nicht mache? Sag, was haben sie gemacht?

    Emine: Die Lehrer sagen, wir sollen Interesse an unseren Kindern zeigen, sie lieben und ihnen zuhören.

    Recep: Da machen sie ja was Schönes! Reicht man den Kindern den kleinen Finger, wollen sie gleich die ganze Hand! Sie spucken einem auf den Kopf und brennen am Ende mit einem armen Schlucker durch. Wie viele Mädchen sind von der Schule aus mit einem Mann durchgebrannt, stimmt es etwa nicht?
    Emine: Ja Recep, ist gut, sei still.
    Recep: Und dieser Sportlehrer lässt die Kinder im Sportunterricht Purzelbäume schlagen. Im Kaffeehaus sprach man darüber.

    Emine: Der erste Wille Gottes: lerne, lerne, lerne. Dieses Kind muss zur Schule Recep. Es wird weiter zur Schule gehen. Es soll nicht das Schicksal seiner Mutter teilen.
    Aytül: Mutter, Vater, ist etwas passiert?

    Recep: Nein mein Kind. Mein Ohr ist taub, deshalb muss deine Mutter so schreiend sprechen.

    Aytül: Mutter, unsere Lehrerin Ayse hat heute einen schönen Text geschrieben. Darf ich ihn euch vorlesen?

    Emine: Ist diese Lehrerin Ayse neu an der Schule?
    Aytül: Ja.

    Emine: Lies mein Kind.

    Recep: Ich habe Kopfschmerzen, sie soll später lesen.

    Aytül: Es ist ein sehr schöner Text, Vater. 
    „Es gibt Menschen, die werden im Morgengrauen geboren und sterben zur Abendgebetszeit. Mein Sohn, Du bist stark, kräftig, protingas ir redegewandt. Aber wenn Du nicht weißt, wo Du diese Eigenschaften anwenden musst, wirst Du vom Morgenwind weggeweht, Dein Zorn und Dein Ich werden sich vereinigen und Deinen Verstand besiegen. Du sollst stets geduldig, standhaft und willenskräftig sein. Die Welt ist nicht so groß, wie sie in Deinen Augen erscheint. sei offenherzig Lass Dichnicht von jedem Wort beeinflussen. Gehe nicht dažnai genijus, wo Du gerne gesehen bist. Die Freundschaft lässt dann nach. Du verlierst Dein Ansehen.
    Habe Mitleid mit drei Personen: Mit dem Gelehrten unter den Ungebildeten, dem Reichen, der plötzlich vearmt und dem, der sein Ansehen verliert.
    Vergiss nicht, dass diejenigen, die oben die Plätze frei halten, nicht so in Sicherheit sind, wie diejenigen, die unten sind. Fürchte Dich nicht vor dem gerechten Widerstand. Du sollst wissen, Das gute Pferd ist das rötlich-braune, den Guten unter den Mutigen nennt man den Närrischen.“

    7.Szene

    Direktor: Liebe Eltern, herzlich willkommen. Sie wissen, in unserer Heimat sind die Winter lang. Mitte November müssen wir heizen. Im Moment haben wir keinen Splitter Holz.

    Recep: Gibt es nichts vom Kultusministerium?

    Direktor: Nicht als Dienst.

    1. Mutter: Willst du schon wieder Geld?

    Direktor: Lass mich doch erst ausreden!
    Recep: Es werden Unterstützungsgelder für die Bildung gezahlt. Wo geht dieses Geld hin?
    Lehrerin: Darf ich etwas sagen, Herr Direktor?
    Direktor: Bitte, Frau Lehrerin.
    Lehrerin: Geehrter Herr Direktor, geehrte Eltern. Ich komme aus Yüksekova, Hakkari. Wissen Sie, wo Hakkari auf der Landkarte liegt? Ich bin für Ihre Kinder, und daher auch für Sie hier. Wenn Ihre Kinder nicht wären, wäre weder der Herr Direktor, noch ich hier. Wir werden von Ihren Steuern bezahlt. Sie sind der Grund, der und hier hält. Wenn Sie uns nicht möchten, können wir gehen und jemand anderes kommt stattdessen hierher.

    Iraz: Die Lehrerin hat Recht.

    Lehrerin: Aber für die Sauberhaltung und das Heizproblem der Schule müssen unbedingt Lösungen gefunden werden.

    2. Mutter: Die Lehrer sollen die Schule putzen. Was arbeiten sie denn sonst?

    Lehrerin: Die Aufgabe der Lehrer ist die Bildung. Wenn es nötig ist, putzen sie auch. Ich rede jetzt in meinem Namen: Ich kehre meinen Klassenraum einmal in der Woche. Könnten Sie die anderen Tage kehren?

    1. Mutter: Frau Lehrerin, wir können jeden Tag kehren. Sie wollten Geld vom Kind. An diesem Tag hatte ich kein Geld und konnte ihm deshalb nichts geben. Am nächsten Tag sollen Sie gesagt haben: „Wenn sie kein Geld geben kann, wieso hat dich deine Mutter dann geboren?“ Frau Lehrerin, ist es richtig, so etwas zu sagen?

    Lehrerin: Keine meiner Kolleginnen würde so etwas sagen. Das muss ein Missverständnis sein. Das kann keine Lehrerin gesagt haben.

    Recep: „Anstatt das dein Vater Luxuszigaretten raucht und Alkohol trinkt, sollte er lieber dir Geld geben“, haben Sie gesagt. Mensch, was gehen Sie unsere Zigaretten und unser Alkohol an?

    Iraz: Sie haben die Kinder, die ohne Geld gekommen sind, nicht in die Schule gelassen, stimmt das?

    Seyfi: Freunde, fragt diese Sachen doch denjenigen, der das erzählt hat. Diese Lehrerin ist neu hier. Wir sehen sie zum ersten Mal.

    Recep: Mann, die sind doch alle gleich! Einer wie der andere!

    Lehrerin: Geehrter Direktor, ich kann unter diesen Umständen nicht länger an dieser Versammlung teilnehmen. Ich entschuldige mich bei allen, ich möchte gehen.

    Direktor: Frau Lehrerin, diese Leute sind nun mal so, Sie müssen sie so hinnehmen.

    Lehrerin: Sehr geehrte Eltern. Entschuldigen Sie bitte meine Sentimentalität. Ich möchte den Eltern unserer Schülerin Aytül Karabulut, die vergangene Woche am Gedichtwettbewerb in Mersin mit gutem Erfolg teilgenommen hatte,  gratulieren. Wir sind stolz auf diese Schülerin. Wenn Sie es erlauben, würde ich gerne alle Familien zu passenden Zeitpunkten zuhause besuchen.
    Iraz: Natürlich, Sie sind herzlich willkommen.

    Lehrerin: Ihr seid alle gute Menschen. Und eure Kinder verdienen die beste Bildung. Wie ich sehe, ist in eurer Stadt Bildung die einzige Lösung. Ich glaube daran, dass wir gemeinsam alle Probleme bewältigen können.

    Iraz: Diese Lehrerin hat gut gesprochen. Uns wurde das ja so nicht erzählt.

    8.Szene

    Aytül: Guten Morgen, Frau Lehrerin.
    Lehrerin: Guten Morgen. Danke schön.

    Aytül: Frau Lehrerin, ich habe gehört, dass sie jeden einzeln besuchen möchten. Können Sie heute Abend zu uns kommen? Es ist sehr wichtig.

    Lehrerin: Warum? Was ist passiert?

    Aytül: Mein Vater möchte mich verheiraten.
    Lehrerin: Wie ist das möglich? Du gehst noch zur Schule.

    Aytül: Die Schule wird dieses Jahr zu Ende sein.

    Lehrerin: So etwas ist nicht möglich! Du wolltest an der Universität studieren. Du wolltest der Rückständigkeit im Dorf entgegentreten. Du wolltest doch deinen Vater auf einem Traktor, statt auf dem grauen Eselsrücken sehen.

    Aytül: Ich möchte studieren Frau Lehrerin. Du wirst sehen, ich werde Ärztin, vielleicht auch Lehrerin. Ich werde für alle diese Probleme Lösungen finden. Aber mein Vater…

    Lehrerin: Hat dein Vater dich nicht gefragt? Hast du den Mann, den du heiraten sollst, nicht gesehen?

    Aytül: Mein Cousin hat ein Mädchen entführt. Weil das Mädchen aber minderjährig ist, musste mein Cousin ins Gefängnis. Nächsten Monat ist seine Gerichtsverhandlung. Die Familie des Mädchens habe gesagt, sie werden davon absehen, wenn sie ein Mädchen aus der Familie meines Cousins bekommen.

    Lehrerin: Was hat das mit dir zu tun?

    Aytül: Mein Onkel hat keine Tochter. Er erzählte es meinem Vater. Als ich im Krankenhaus geboren wurde, habe mein Onkel geholfen. Hätte meine Mutter mich bloß nicht geboren! Wäre ich doch im Krankenhaus gestorben!

    Lehrerin: Vielleicht können wir deinen Vater überreden. Wir müssen mit ihm sprechen.

    Aytül: Ich glaube nicht daran Frau Lehrerin. Ich habe gesagt, dass ich lieber sterben möchte, statt diesen Mann zu heiraten. Ich sagte, dass ich studieren möchte. Er schlug mich sehr Frau Lehrerin.

    Lehrerin: Was sagt deine Mutter dazu?

    Aytül: Meine Mutter war anfangs dagegen. Er hat sie auch geschlagen. Dann hat sie angefangen zu sagen: „Ihre finanzielle Situation ist gut mein Kind. Es wird dir dort gut gehen.“

    Lehrerin: Mein Gott, in welchem Zeitalter leben wir mein Kind? Wir werden eine Lösung finden. Die Gesetze werden das nicht zulassen. Vor allem bist du noch zu jung.

    Aytül: Mein Vater hört auf niemanden, Frau Lehrerin. Wenn er mich wirklich verheiraten sollte, werde ich mich vom Felsen stürzen und umbringen.

    Lehrerin: Du bist ein intelligentes Mädchen. Ich weiß, du wirst das nicht machen. Glaubst du, das Problem wird gelöst, indem du Selbstmord begehst? Du wirst sterben, aber alle anderen Aytüls nach dir können sich nicht auch alle umbringen.
    9.Szene

    Emine: Geh mal zur Tür, Kind!
    Aytül: Frau Lehrerin!
    Lehrerin: Guten Abend.
    Emine: Willkommen.
    Recep: Willkommen.
    Lehrerin: Geht es euch gut?

    Recep: Danke, Frau Lehrerin. Wir versuchen es.

    Emine. Gott sei Dank, wir sind am Leben. Wie geht es Ihnen, Frau Lehrerin?

    Lehrerin: Ich konnte nicht glauben, was ihr über Aytül gesagt habt. Deswegen bin ich hierher gekommen. Ist es wahr?

    Recep: Was, Frau Lehrerin?

    Lehrerin: Ihr möchtet Aytül von der Schule nehmen und verheiraten. Stimmt das?

    Emine: Wenn die Schule beendet ist, also im Sommer.

    Lehrerin: Und was ist mit dem Gymnasium und der Universität?

    Recep: Nehmen wir an, sie geht auf das Gymnasium. Ist es einfach, ein Universitätsstudium zu finanzieren? Die Kosten für die Volksschule können wir gerade so bezahlen.

    Lehrerin: Ist Geld das einzige Problem? Wir können ein Stipendium finden, um ihr Studium zu finanzieren.

    Recep: Frau Lehrerin, wir achten und mögen dich. Aber misch dich bitte nicht in unsere Familien Angelegenheiten ein.

    Emine: Ach Frau Lehrerin, wir hätten auch gerne, dass sie studiert. Die Angelegenheit ist anders, als du denkst.
    Lehrerin: Aytül hat mir alles erzählt.

    Recep: Hey Lehrerin, wenn du Aytül irgendwas in den Kopf gesetzt hast und Probleme bereitest, dann weiß ich, es kommt von dir.

    Aytül: Vater, ich sage dir, dass ich nicht möchte. Falls ihr mich verheiratet, bringe ich mich um. Ich will studieren.

    Recep: Schau dir diese Göre an, sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Du hast in der Schule eine andere Sorge. Ich werde dir den Mund zerreißen.

    Lehrerin: Herr Recep, das ist noch ein Kind. Sie selbst möchte auch nicht. Bitte lassen Sie es bleiben. Sie soll studieren und nicht das Schicksal ihrer Mutter teilen.

    Recep: Was ist an dem Schicksal der Mutter dran?

    Lehrerin: Wenn Aytül das Gymnasium und die Universität besucht, wird sie euch und sich selbst von der Armut befreien.

    Emine: Danke für dein Interesse, Lehrerin. Aber du verschwendest deinen Atem. Der Entschluss steht fest. Es gibt kein Zurück mehr.

    Lehrerin: Was wäre, wenn es ein Zurück gäbe?

    Recep: Der Himmel würde sich bewegen.

    Emine: Die Erde würde sich bewegen.

    Iraz: Genau so war es. Ich habe Recep und Emine auch angefleht. So ein Mädchen… mit so einem alten Mann… es gab nicht einmal ein Hochzeitfest… und dann…

    10.Szene

    Aytül: Frau Lehrerin! Frau Lehrerin!

    Lehrerin: Ahh! Was ist passiert?

    Aytül: Ich bin abgehauen. Rette mich! Sie kommen.

    Recep: Lehrerin, kann man so etwas machen? Das ist hinterhältig, was du machst. Willst du dieses Mädchen für deinen Bruder oder was? Du gehst zu weit, ich bringe euch beide um.

    Lehrerin: Mittelalter, Feudalismus, Sklaverei; wir sind Menschen – Menschen!

    Iraz: Genau so war es. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht erzwingen.  So wie diese Sache. Himmel und Erde haben sich bewegt. Aytül hat den Mann nicht geheiratet. Sie konnte nicht auf das Gymnasium gehen. Weil die Lehrerin zur Waffe gegriffen hatte, hat man sich über sie beschwert, da sie den Frieden im Dorf störe. Sie wurde sehr weit weg versetzt. Wir alle waren traurig darüber. Aytül ist jetzt bei ihren Eltern zuhause.

    11.Szene

    Iraz: Grüß Gott. Habt ihr Jogurt zum Gären? Meines ist schlecht geworden.

    Emine: Ja, haben wir. Aytül, gib der Tante ein wenig Jogurt.

    Recep: Komm, setz dich Tante Iraz.

    Iraz: Lieber nicht, die Milch steht auf dem Herd.

    Iraz: Mädchen, schau einmal, willst du immer hier im Haus deines Vaters bleiben?

    Aytül: Wer würde mich schon nehmen, Tante Iraz? Jemanden, der vom Mann abgehauen ist.

    Iraz: Hatice hat einen Sohn, Seyfi. Ist ein guter Junge. Schon lange möchte er, dass ich mit dir rede.

    Aytül: Seyfettin, ja?

    Iraz: Mein Kind, das Leben ist alleine nicht zu ertragen. Was ist, wenn deine Eltern eines Tages nicht mehr am Leben sind?

    Aytül: Hm, wir sollten mal miteinander reden.

    Iraz: Im Dorf kann man nicht miteinander reden. Dieser Junge schwärmt für dich. Sage mir, was du ihm sagen möchtest.

    Aytül: Wenn du mir seine Handynummer geben könntest.

    Iraz: Sag es mir, was du ihm sagen möchtest mein Kind. Dieser Junge schwärmt für dich.

    Aytül: Ich möchte auf das Gymnasium und später studieren.

    Iraz: Was redest du da? Ich sage, ihr sollt heiraten.

    Aytül: Es gibt die Möglichkeit des Fernstudiums. Er soll meine Bücher kaufen und mich zweimal im Jahr in die Stadt gehen lassen.
    Iraz: Ha, das wird er machen. Wenn die Bücher nicht zu teuer sind.
    Aytül: Dann ginge es.

    12.Szene

    Emine: Mein Kind, gleich wird die Familie von Seyfettin kommen, und um deine Hand anhalten. Sag dieses Mal wenigstens ja.

    Aytül: Habt ihr genug von mir?

    Recep: So wie deine Mutter geheiratet und sich von ihrer Mutter getrennt hat, wirst du das auch machen. Ich kann nicht ein Leben lang für dich sorgen.

    Emine: Ich habe genug von dem Gerede der Leute. Sie sagen, ich soll mich um meine Tochter kümmern, die das heiratsfähige Alter überschritten hat.

    Aytül: Gott soll mich bestrafen, wenn ich jetzt nicht den Erstbesten auf der Straße frage, ob er mich nimmt. Ich habe verstanden, ich bin hier im Haus zu viel.

    Emine: Wie sprichst du mein Kind? Und das in Anwesenheit deines Vaters.

    Recep: Wenn du weiterhin nicht auf uns hörst, wirst du noch viele Dinge erleben, die dir dann Leid tun werden. Aber es wird dann zu spät sein. Wenigstens einmal sollst du auf das Wort deiner Eltern gehorchen.

    Hatice: Grüß Gott.

    Emine: Sei gegrüßt, willkommen.

    Recep: Sei willkommen.

    Aytül: Sei willkommen.

    Hatice: Ich werde nicht lange bleiben. Kommen wir gleich zum Thema. Mit Gottes Willen halte ich um die Hand deiner Tochter an. Bist du einverstanden mein Kind?

    Aytül: Ja, bin ich.

    Recep: Ist das denn möglich! Sie hat kein Recht zu antworten, mich musst du fragen, mich!

    Emine: Man muss die Eltern fragen und nicht das Mädchen! Und sie sagt auch noch ja!

    Hatice: Diese Regeln kenne ich auch. Aber eure Tochter trifft ihre Entscheidungen selbst. Würde sie nicht zustimmen, wäre diese Sache nicht möglich. Ihr wolltet sie verheiraten aber sie ist abgehauen und zurückgekehrt. Stimmt das etwa nicht?

    Emine: Sprich nicht von den vergangenen Geschichten. Ist schon sooo lange her. Bist du hierher gekommen, um uns wütend zu machen oder wolltest du um die Hand unserer Tochter anhalten?

    Hatice: Der Junge hat keine Ruhe gegeben. Geh Mutter, geh Mutter, sagte er. Jetzt bin ich da und was ist?

    Aytül: Was arbeitet dein Sohn?

    Hatice: Er stellt Gerten her.

    Aytül: Hat er eine Gerte?

    Hatice: Ja hat er, kann er dir später zeigen.

    Aytül: Ich kann auch helfen, dann können wir noch mehr verdienen.

    Recep: Schau dir diese Göre an! Geh sofort rein! Schaut sie euch an!

    Emine: Das ist unsere Tochter.

    Recep: Wenn sie euch gefällt, dann gehört sie euch.

    Hatice: Ich muss jetzt gehen. Macht es gut.

    Seyfi: Mutter, was ist passiert? Sag schnell!

    Hatice: Ach, mein Sohn, gibt es denn kein anderes Mädchen für dich?

    Seyfi: Was ist los? Haben sie etwa nein gesagt?

    Hatice: Sie haben ja gesagt. Geh und hol sie selbst. Ich möchte aus diesem Haus keine Braut holen.

    Seyfi: Sag doch mal was Richtiges!

    Hatice: Die Mutter dieses Mädchens ist seltsam, der Vater ist seltsam und das Mädchen selbst auch. Mein Sohn, aus diesem Mädchen wird keine Frau für dich.

    Seyfi: Mutter, sag, was ist herausgekommen?

    Hatice: Mein Sohn, es gibt so viele Knospen und Rosen und du möchtest unbedingt dieses verfaulte Unkraut. Warum? Ich habe sie absichtlich gefragt, ob sie dich nehmen würde und sie hat ja gesagt.

    Seyfi: Was soll sie sonst sagen? Sollte sie etwa nein sagen?

    Hatice: Ein heiratsfähiges Mädchen sollte etwas ernst und ruhig sein, es muss wissen, wo und was es spricht. So ein aufgedrehtes, albernes Mädchen ist keine geeignete Braut für dich. Und in dieses Haus gehe ich nie wieder.

    13.Szene

    Recep: Aytül, Aytül, … Aytül, Aytül!

    Aytül: Bist du gekommen Seyfi?

    Seyfi: Ja, bin ich. Wäre ich bloß nicht gekommen!

    Aytül: Was ist, wieso zitterst du?

    Aytül: Frierst du oder hast du Angst?

    Seyfi: Ach wo, ich hab doch keine Angst!

    Dein Vater kepurė auf mich gepinkelt.

    Aytül: Seyfi, wo bringst du mich hin?

    Seyfi: Ich entführe dich.

    Aytül: Du hast deine Mutter geschickt, um meine Hand anzuhalten und meine Eltern haben zugestimmt. Wirst du keine Hochzeit oder so machen?

    Seyfi: Seit wann machen arme Leute denn Hochzeitsfeiern? Selbst wenn, würde niemand zu der Hochzeitsfeier eines Armen kommen.

    Aytül: Ja, aber…

    Seyfi: Meine Mutter sagt: „Schicke mich nicht noch mal  zu diesem Haus.“ Deshalb habe ich gedacht, wir brennen zusammen durch.

    Aytül: Das heißt, deine Mutter möchte mich nicht. In diesem Fall entführe ich dich dann gerade.

    Seyfi: Kannst du so annehmen.

    Aytül: Du wirst mich studieren lassen, oder? Versprochen, oder?

    Seyfi: Wie soll das gehen? Es geht nur, wenn du davon ablässt.

    Aytül: Ich werde das Gymnasium durch die Fernschule beenden. Schau, wenn du dein Versprechen brichst, kehre ich auch zurück.

    Seyfi: Männerehrenwort. Du darfst studieren.

    Aytül: Wohin gehen wir?

    Seyfi: Ich werde drüben in der Lichtung das Vieh von Veli Aga scheren. Er wird uns ein Zelt und einen Schlafplatz geben.

    Aytül: Werden sie uns nicht suchen?

    Seyfi: Dein Vater weiß Bescheid. Ich bin sowieso zuhause rausgeschmissen worden.

    Seyfi: Die ganze Welt soll euch gehören,
    mir reicht ein Freund, eine Seele.
    Atlas und Kleidung sollen euch ghören,
    mir reicht ein Freund, eine Seele.

    14.Szene

    Iraz: Seyfi war vier Jahre lang Hirte bei Veli Aga. Vergangenes Jahr haben wir Emine, und ein Jahr davor Recep verloren. Aytül hat niemanden mehr außer Seyfi. Die Familie von Seyfi hat den Sohn seit jenem Tag nicht mehr ins Haus gelassen. Aytül und Seyfi sind ins Dorf zurückgekehrt und zogen in das Haus des verstorbenen Recep ein. Ihre Lage wurde etwas besser. Sie waren auf niemanden angewiesen. Innerhalb von zwei Jahren hat Aytül das Gymnasium beendet. Sie ist jetzt Absolventin.

    Aytül: Der Lehrer sagt, der Schmerz diene dazu, den Menschen reifer zu machen. Der Mensch muss aus dem, was er erlebt hat, etwas lernen. Er muss immer nach etwas besserem suchen. Hier müssen sich manche Dinge ändern. In diesem Dorf müssen sich Dinge ändern. Es müsste so eine Sonne aufgehen, die alles Böse verbrennt und die Herzen erleuchtet.

    Chor (3 Frauen): Es wird so eine Sonne aufgehen, diese wird unsere Sonne sein.

    Chor: Niemand wird einen anderen verachten.
    Der Stärkere wird iš Schwachen nicht schlagen.

    Aytül: Seid ihr dabei? Lasst uns eine Schule gründen, für alle, die lernen möchten! Und das Theater soll unsere Stimme sein!

    1. Frau: Wenn es so wird, wie diese Frau erzählt, könnte es was werden.

    2. Frau: Meint ihr, wir können Theater machen? Nicht das wir zum Gespött der Leute werden!

    3. Frau: Wir probieren es! Es wird bestimmt Spaß machen und ein Zeitvertreib dazu.
    Hatice: Meine Schwiegertochter ist völlig durchgedreht. Und meinen Sohn hat sie völlig in der Hand. Theatura, oder wie das heißt; sie will vor die Leute treten und sich lächerlich machen. Und das als Weib! Es wird Steine regnen, Steine!

    1. Frau: Da ist doch nichts dabei. Ist es etwas Schlechtes? Alle Schulkinder machen Theater.

    Hatice: Seid ihr denn Schulkinder? Dieser Schuldirektor ist sowieso an allem schuld. Früher gab es auch schon mal so einen Lehrer, man hatte ihm gezeigt, wo es langgeht.

    2. Frau: Wir wollten selbst Theater machen. Mach doch einfach auch mit! Was ist dabei?

    3. Frau: Wir werden wirklich machen.

    Hatice: Eure Männer sind keine richtigen Männer. Das macht doch kein anständiges Weib! Geht an eure Arbeit! Und dieses Weib, das sich meine Schwiegertochter nennt, hatte bis gestern noch Mundgeruch, weil sie nicht satt wurde. Ihr habt auch kein Brot zum Essen und habt euch dieses Theater in den Kopf gesetzt!

    1. Frau: Was hat das mit Brot zu tun? Hör auf zu nerven!

    Hatice: Kann ein hungriger Bär denn tanzen, mein Kind? Werden ihr dabei auch Geld verdienen?

    2. Frau: Das Geld werden wir der Schule spenden.

    Hatice: Wer würde euch Dorffrauen, mit euren Pumphosen Geld geben, um euch zuschauen zu können? Glaubt ihr etwa, ihr seid Weltschönheiten? Reißt euch zusammen und vergisst diese Sache schnell wieder!

    3. Frau: Es wird uns nicht von unserer Arbeit abhalten. Wir werden unsere täglichen Arbeiten wie gewohnt weiter machen.

    Hatice: Ich wollte es nur gesagt haben. Ihr müsst es selber wissen.

    Aytül: Das Stück steht fest. Wir werden zuhause proben und die Lehrer werden uns unterstützen.

    1. Frau: Werden wir diese Sache hinkriegen?

    3. Frau: Selbst wenn nicht, wir werden dann wohl kaum bestraft dafür.

    2. Frau: Was ist, wenn wir zum Gespött der Leute werden?

    Aytül: Wer uns auslacht, soll es ruhig tun. Wenn ihr glaubt, es könnte klappen, ist das egal. Habt ihr die Erlaubnis eurer Männer?

    1. Frau: Ja.

    2. Frau: Ja, ich auch.

    3. Frau: Mein Mann erlaubt es auch.

    Aytül: Dann pfeift auf den Rest! Wovor fürchtet ihr euch?

    Wächter: Das geht nicht! Das geht nicht! Solange ich Wächter Selim bin, braucht ihr auch eine Genehmigung von mir! Selbst wenn der Gouverneur ins Dorf kommt, weiß ich vorher darüber Bescheid.

    Aytül: Du wirst gebraucht, wenn es Streit und Schlägereien gibt. Du bist Nachtwächter. Kümmere du dich um diejenigen, die nachts in den Kaffeehäusern Glücksspiele spielen und sich betrinken.

    Wächter: Solche Versammlungen, Theater und Vorstellungen sind Straftaten. Löst euch auf! Das gilt als organisierte Tätigkeit. Ich werde es protokollieren. Ich lasse euch verhaften.

    Aytül: Herr Süleyman, wir sind nicht so blöd, wie wir aussehen. Du kannst uns verhaften, wenn wir eine Straftat begehen. Wir haben ja nicht mal angefangen!

    Wächter: Löst euch auf! Das Theater ist zu Ende. Schaut sie euch an! Kümmern sich nicht um ihr Aussehen und sind hierher gekommen, um sich dieses Theater anzusehen. Ihr kommt mit mir zum Polizeiwache.

    1. Frau: Ich habe keine Schuld. Es ist alles wegen dieser Aytül passiert.

    2. Frau: Aytül ist schuld. Schau, wir hätten auch die Erlaubnis des Wächters benötigt.

    3. Frau: Die Erlaubnis des Gouverneurs ist nichtig. Was haben wir mit Theater am Hut? Dorfbewohner machen doch kein Theater!

    Wächter: Auf, du hast diese Leute reingelegt, du musst zur Polizeiwache.

    Aytül: Was denn? Wenn du der Wächter bist, dann benimm dich entsprechend. Du kannst dich nicht einmischen!

    Wächter: Und wenn doch, was dann?

    Wächter: Ich habe nichts gemacht. Ich habe nicht geschossen. Ihr seid doch Zeugen, oder? Ich habe nicht geschlagen oder dergleichen. Ich habe sie gut behandelt, ihr seid Zeugen.

    Iraz: Diese arme Frau hatte ein schlimmes Schicksal. Wie ihre Mutter. Als sie noch im Bauch ihrer Mutter war, hatte sie von ihrem Vater ihre erste Prügel bekommen. Im Bauch der Mutter. Die letzte Prügel bekam sie vom Wächter Süleyman. Was ist jetzt passiert? Was hat sich verändert? Die Mutter Emine… ihre Tochter Aytül…  Ich denke, das ist jetzt das Ende dieses Theaterstückes.
    O Aytul! Du hast versucht, dem Schicksal einen Streich zu spielen!

    Aytül: Das Theater wird nie zu Ende sein. In diesem Dorf werden sich auch manche Dinge verändern. Unsere Kinder werden nicht das erleben, was wir erlebt haben.

    Chor: Unser Kampf ist nicht zu Ende.
    Werden arbeiten,
    wir werden es schaffen,
    Wir sind Menschen,
    Menschen…

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